Konjunktur: Die Verunsicherung in der Agenturbranche nimmt zu

Agenturchefs Kessel, Figge, Focken, Berndt, Lotze und Tiedemann (v.o.l.n.u.r.)
Agenturchefs Kessel, Figge, Focken, Berndt, Lotze und Tiedemann (v.o.l.n.u.r.)
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Noch wirken sich die Turbulenzen an den Kapitalmärkten nicht auf den Werbemarkt und das Geschäft der Agenturen aus. Allerdings nimmt die Verunsicherung zu, wie lange das noch so bleibt. Zuletzt mahnten die Chefs internationaler Werbeholdings angesichts der aktuellen Entwicklungen zur Vorsicht.


So hatte WPP-CEO Martin Sorrell bei der Vorlage der guten Halbjahreszahlen erklärt, sich vorerst mit der Einstellung neuer Mitarbeiter zurückzuhalten. HORIZONT.NET nimmt die Verunsicherung zum Anlass und fragt deutsche Agenturmanager, wie sie die aktuelle Lage einschätzen. mam

Lesen Sie auf den folgenden Seiten die Statements von Ronald Focken (Serviceplan), Thomas Strerath (Ogilvy), Christian Tiedemann (Commarco), Peter Figge (Jung von Matt), Frank Lotze (BBDO), Uli Veigel (Grey G2), Alina Kessel (DDB Tribal), Martin Wider (JWT Germany) und Matthias Berndt (Publicis).

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Ronald Focken, Geschäftsführer Serviceplan-Gruppe

Sicher spürt man derzeit eine gewisse Unsicherheit, die kommt aber vor allem von den Kapitalmärkten. Auf unser Tagesgeschäft hat das bislang aber keinerlei Auswirkungen. Wir merken nichts davon, dass an irgendeiner Stelle Budgets eingefroren werden. Die einzige Sorge, die ich habe, ist, dass es wieder zu einer Gruppenpsychose kommt. Sollte tatsächlich der Eindruck entstehen, dass die Finanzkrise aus dem Ruder läuft, dann könnte es auch bei den Unternehmen heißen: Bremsen rein! – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Budgets. Ich habe aber die Hoffnung, dass hier inzwischen ein Umdenkprozess eingesetzt hat. Kommunikation hat heute in den Chefetagen eine andere Priorität als früher.

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Thomas Strerath, CEO Ogilvy Deutschland

Die Stimmung ist gut, insbesondere die Medien und Vermarkter haben gute Laune zum Programm erklärt. Die Werbungtreibenden sind aber nach wie vor auf der Suche nach Einsparpotenzialen bzw. effizienteren Werbemöglichkeiten. Das führt für die Agenturen zu einer erhöhten Volatilität des Revenues (und damit erschwertem Forecasting) und Druck auf die Margen. Bisher sind keine realwirtschaftlichen Effekte zu spüren, damit auch noch nicht in der Werbewirtschaft. Allen ist aber bewusst, dass ein möglicher Sinneswandel in den Chefetagen blitzschnell zu einer Anpassung in den Budgets führen muss. Der Druck auf die Margen und die erschwerte Planungssicherheit machen sich natürlich im Kostenmanagement der Agentur bemerkbar. Dass die Werbebranche immer unattraktiver für den top-talentierten Nachwuchs wird, ist auch eine Folge der Kompensationsmodelle der Auftraggeber. Es ist der heißeste Pitch-Frühling-Sommer-Herbst an den wir uns hier erinnern können. Aber dies ist kein Indikator für eine gute Agentur-Konjunktur - im Gegenteil: am Ende werden es nicht mehr Etats, geschweige denn besser entlohnte Etats sein.

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Christian Tiedemann, Co-CEO Commarco

Der deutsche Werbemarkt ist derzeit noch nicht von den Turbulenzen an den Kapitalmärkten betroffen. Ich glaube ohnehin nicht an eine kurzfristige Korrelation zwischen der Entwicklung an den Börsen und dem Werbemarkt. Aktuell schätze ich die Geschäftslage positiv ein. Die Neugeschäftsanfragen ziehen spürbar an. Wir steuern auf einen relativ warmen Pitch-Herbst zu. Deshalb gibt es bei uns auch keine außerordentlichen Anpassungen oder Einsparungen. Wir schauen uns aber sehr genau die Entwicklung auf dem Personalmarkt an und sind etwas kritischer mit Neueinstellungen.

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Peter Figge, CEO Jung von Matt

Die Stimmung im deutschen Werbemarkt ist vorsichtig-wachsam, aber immer noch positiv. Bisher brechen die Finanzmärkte ein, aber nicht der private Konsum. Daher gilt die größte Sorge einem Überschwappen von internationalen Effekten der Geldwirtschaft auf eine strukturell solide Situation in der deutschen Realwirtschaft, die dann auch den Konsum negativ beeinflusst. Das Jahr 2011 ist für die allermeisten Kunden aber budgetiert und man will mit einer starken Marktposition in ein möglicherweise schwierigeres 2012 starten. Die Pitchanzahl hat leicht zugenommen, liegt aber in meiner Einschätzung immer noch in einem für den Herbst üblichen Umfang. Die Pitches sind von Ihren Anforderungen allerdings vielfältiger, internationaler und interessanter geworden.

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Frank Lotze, CEO BBDO Germany

Dass die Finanzkrise nicht spurlos an Wirtschaftswunder-Deutschland vorbei gehen wird, steht fest. Noch sind Auswirkungen auf die Werbeindustrie, die naturgemäß konjunkturabhängig ist, nicht zu spüren. Unternehmen fallen ohnehin nicht in Schockstarre und reduzieren schlagartig ihre Budgets. BBDO Germany verzeichnet aktuell mehr Neugeschäftsanfragen als im Jahr zuvor - die Zeichen stehen hier auf Wachstum und Personalausbau.

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Uli Veigel, CEO Grey G2 Group

Die Stimmung ist von fragil auf unsicher umgeschlagen. Die Unsicherheiten finden im Moment im Kopf statt. Handlungen können ggfs. Noch folgen. Gegenwärtig ist noch nichts Substanzielles spürbar, aber wie gesagt: das kann noch kommen – und zwar sehr schnell. Sensibel reagieren eigentlich alle Disziplinen, die für die Werbungtreibenden als Luxus auf der To-do-Liste stehen. Themen wie Digital und Shopper Marketing werden dagegen unverändert gut laufen. Wir selbst reagieren wie immer sehr vorsichtig. Eine eindeutige Tendenz in Bezug auf die Neugeschäftsanfragen kann ich nicht erkennen. Ich würde hier eher von positiven Einzelfällen sprechen.

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Alina Kessel, CEO DDB Tribal

Der deutsche Werbemarkt scheint stabil zu sein mit zwar geringem, aber stetigem Wachstum. Es gab bei unseren Kunden bislang keine gravierenden oder spontanen Richtungswechsel. Konsolidierung steht weiterhin auf der Agenda, sowohl was die internen Strukturen unserer Kunden betrifft, als auch extern in Bezug auf die Anzahl der Kommunikationsdienstleister. Einige machen deutliche Fortschritte, ihre Anforderungen bei wenigen Agenturen zu bündeln und erzielen dadurch Staffelungen und Einsparungen. Wir stellen fest, dass vereinzelt Budgetgespräch für das kommende Jahr noch früher stattfinden als sonst. Dies ist aber nicht unbedingt der Wirtschaftslage geschuldet, sondern der Herausforderung, den richtigen Marketingmix zu finden. Wir können bestätigen, dass es viele Neugeschäftsanfragen gibt. Dabei ist besonders interessant, dass in bestimmten Branchen wie zum Beispiel Finanzdienstleistungen eine Vielzahl von Key Playern fast zeitgleich in der Überprüfung ihrer Agenturbeziehungen zu sein scheint.

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Martin Wider, CEO JWT Germany

Die Krise ist in der Realwirtschaft noch nicht angekommen. Spendingreduktionen zeigen geringe Auswirkungen, da die meisten Kundenverträge nicht mehr auf Media-Kommission, sondern auf FTE oder Scope-of-Work-Basis laufen. Die Auftraggeber reagieren vorsichtig und besonnen. Bisher sind keine Panikreaktionen festzustellen. Wir bei JWT haben einen hohen Anteil an FMCG-Kunden, die auch auf die letzte Krise kaum mit Reduktionen der Werbespendings reagiert haben. Schließlich wird in allen Lebenslagen getrunken und gegessen. Nach einem klimatisch kalten Sommer wird es ein heißer Arbeitsherbst. Wir sind in einigen sehr interessanten Pitches, außerdem führen wir spannende Gespräche mit potenziellen Kunden.

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Matthias Berndt, Managing Director Publicis Hamburg

Der positive Trend des ersten Halbjahres hat durch die globalen Verwerfungen des Finanzmarktes einen Dämpfer bekommen. Dieses spüren die Agenturen durch eine grundsätzliche Vorsicht und zunehmende Zurückhaltung Ihrer Auftraggeber, insbesondere derjenigen mit internationalem und speziell mit südost-europäischem Engagement. Hier werden Budgets gekürzt und konzernintern umgeleitet. Auftraggeber mit nationalem Schwerpunkt reagieren insgesamt weniger sensibel. Auch ist im Bereich der privaten hochpreisigen Investitionsgüter sowie Luxusartikel derzeit noch keine Zurückhaltung zu vermelden. In Teilbereichen sind Budgetkürzungen festzustellen. Die Lage ist angespannt, von Dramatik sind wir aber noch weit entfernt. Grundsätzlich gibt es eine deutlich erhöhte Anfrage der Kunden im Vergleich zum Vorjahr, was auch zeigt, dass die Kunden nach neuen Lösungen suchen. Die Entscheidungen dafür sind allerdings vielfach schon im ersten Halbjahr getroffen worden, und werden nun umgesetzt.
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