Der Künstler
Gunter Demnig, den Jung von Matt als "Auftraggeber" angibt, etwa, war bisher nicht gefragt worden, was er von den Vorwürfen hält. Gegenüber HORIZONT.NET stellt sich Demnig auf die Seite der Agentur. Über die Lösung von Jung von Matt sei er "durchaus froh", denn mit seiner "kleinen Crew wäre das nicht möglich gewesen". Er räumt aber auch ein, dass die ganze Aktion noch nicht final ist. "Mit den Verlinkungen gibt es noch Probleme. Aber das sollte alles zu machen sein." Das ganze sei "als work in progress zu sehen". Die einzelnen Initiativen hätten jetzt die Möglichkeit, ihre Bilder und Daten einzusetzen. Demnig mahnt zur Geduld: "Das wird sicher etwas dauern." Für ihn sei die Seite eine gute Ergänzung zu seinen Stolpersteinen.
Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass Jung von Matt mit ihrer Einreichung eine neue Stufe des Award-Wahnsinns gezündet hat. Denn der Eindruck, dass die Agentur sich einen aufmerksamkeitsstarken Bereich vorgeknöpft und in einem Case-Film aufgebauscht hat, um bei den Juroren Eindruck zu schinden, lässt sich nicht von der Hand weisen. Die Stolpersteine sind eine Goldidee - damit, dass bei einem so sensiblen Thema wie dem Holocaust die Reaktionen heftig ausfallen würden, hätte Jung von Matt rechnen müssen. Mal abgesehen davon, dass es mehr als unsensibel ist, mit einer Goldarbeit zu einem Holocaust-Mahnmal Kreativpunkte zu sammeln. Ein offizielles Statement wollen die Verantwortlichen nach wie vor nicht abgeben.
Jung von Matt hat sich hier in die Nesseln gesetzt, so viel steht fest. Die Truppe von
Jean-Remy von Matt und
Peter Figge ist bei weitem nicht die einzige Agentur, die ihre Arbeiten mit gut gemachten Case-Filmen pusht. Vermeintlich beeindruckende Ergebnisse und nicht nachprüfbare Zahlen sind bei dieser Form der Aufbereitung an der Tagesordnung - nachvollziehbar sind sie nicht. Die Zeit, um all die Fakten zu überprüfen, fehlt in internationalen Jurys meist. In Cannes schafften es die Macher der Stolperstein-Cases so, den Juroren einen goldenen Media Lion und einen bronzenen Integrated Lion abzuluchsen. Das allerdings nicht ohne eigene Stolpersteine.
Denn Fakt ist: In der Cannes-Jury (zumindest in der Sparte Titanium & Integrated) wurde durchaus über die Echtheit der Arbeit diskutiert. Ein Jurymitglied hatte seine Mitjuroren darüber aufgeklärt, dass das beworbene Denkmal bereits seit Jahren existiert und keineswegs auf die Initiative von Jung von Matt zurückgeht. Daraufhin wurde nach HORIZONT.NET-Informationen in der Jury diskutiert, inwiefern die Agentur hier überhaupt eine Leistung erbracht habe. Die goldenen Stolpersteine von Demnig gibt es bereits seit 1997. Damals wurde der erste Stein in Berlin-Kreuzberg verlegt. Die Juroren entschieden aber, dass das Projekt mit der digitalen Verlängerung durch die Kampagne wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen rücke und daher einen Bronze-Löwen verdient habe.
jm/jf