Agenturen als kreative Unternehmensberater: Totaler Quatsch oder die wahre Bestimmung der Kommunikationsdienstleister im frühen 21. Jahrhundert? Selten hat ein HORIZONT-Interview in den vergangenen Monaten bei Deutschlands Agenturmanagern so emotionale und spitzzüngige Reaktionen hervorgerufen wie das HORIZONT-Gespräch mit dem neuen CEO der deutschen Ogilvy-Gruppe Thomas Strerath.
Der 43-jährige Chef der WPP-Agentur hatte es sich nicht nehmen lassen, sich kritisch über
Amir Kassaei, Kreativchef der Omnicom-Agentur
DDB, und unbestritten streitbarer und -lustiger Sprecher des
ADC, zu äußern.
An Kassaeis Vision, Agenturen müssten "kreative Unternehmensberater" werden, ließ Strerath – ohnehin kein Freund von Visionen - kein gutes Haar. "Wenn ich Amir Kassaei von DDB wäre", poltert Strerath im Interview, "wäre ich stolz auf die Kampagnen, die ich mache. Wie kommt darauf von Sachen zu reden, die man nicht beherrscht? Das ist so, wie wenn ein Farbenhersteller auf die Idee käme, nicht nur tolle Farben zu produzieren, sondern Fassadenlösungen zu offerieren. Das ist albern."
Die Replik aus dem DDB-Lager folgte prompt. Via HORIZONT.NET echauffierte sich DDB-CEO
Tonio Kröger über seinen Amtskollegen: „Herr Strerath soll sich nicht auf Kosten anderer profilieren, sondern erstmal zeigen, dass er in die Schuhe von Lothar Leonhard passt und erfolgreich eine große Agentur führen kann. Wenn er das bewiesen hat, kann er sich gerne wieder in die für alle Agenturen wichtige Diskussion über die richtige Aufstellung für die Zukunft einschalten.“
vs/mamEingeschaltet haben sich in jedem Fall die Chefs deutscher Werbeagenturen. HORIZONT.NET bringt einige Zitate der Agenturbosse – alle Statements in voller Länge lesen die HORIZONT-Abonnenten in Ausgabe 23/09.
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Holger Jung, Vorstand Jung von Matt
"Die kommunikativen Aufgaben werden zunehmend kleinteiliger, es ist vorbei mit reinhauen, draufhauen, abhauen. Darauf muss man sich als Agentur einstellen. Also sowohl fähig sein, in allen Bereichen der Marketingkommunikation fit zu sein, als auch darauf achten, den großen Markenbogen zu spannen."
Weiter mit Frank-Michael Schmidt, Scholz & Friends
Frank-Michael Schmidt, CEO Scholz & Friends
"Wir müssen den Anspruch, kreative Unternehmensberater zu sein, erheben und eindrucksvoll erfüllen. Wer diesen Anspruch aufgibt, wird sich auf Sicht daran gewöhnen müssen, den Lieferanteneingang zu nehmen und nach Kilopreisen bezahlt zu werden. Wer keine Visionen hat, muss sich fragen, womit er die Menschen begeistern will. Pragmatismus ersetzt kein Programm."
Weiter mit Florian Haller, Serviceplan
Florian Haller, Hauptgeschäftsführer Serviceplan
"Thomas Strerath empfindet seine Agentur Ogilvy nicht mehr als zeitgemäß. Zumindest würde er Ogilvy heute nicht mehr so aufstellen. Ich kann dazu nur sagen, dass er die Zukunftsfähigkeit seines Hauses gegenüber seinen Kunden und Mitarbeitern am besten beurteilen kann."
Weiter mit Klaus Flettner, Kommunikationsverband
Klaus Flettner, Präsident Kommunikationsverband
"Es gibt nicht nur einen Weg. Keiner von uns kann absehen, welches Modell das erfolgreichere wird."
Weiter mit Uli Veigel, Grey Germany
Uli Veigel, CEO Grey Germany
"Agenturen werden mehr denn je an der Wertschöpfung gemessen, die sie für ihre Kunden bringen. Die entsteht durch welche organisatorische Form auch immer."
Weiter mit Martin Wider, JWT Germany
Martin Wider, CEO JWT Germany
"Die eigentliche Diskussion, die wir führen müssen, ist, was wir Agenturen zukünftig zur Wertschöpfung von Marken und Unternehmen beitragen können – in Zeiten von User Generated Content, dramatisch reduzierter Werbewirkung, Multi-Kanälen und enormem Wettbewerbs- und Kostendruck aufseiten unserer Auftraggeber."
Weiter mit Stefan Kolle, Kolle Rebbe
Stefan Kolle, Mitinhaber Kolle Rebbe
"Thomas Strerath beschreibt, wie eine Networkagentur von heute aussehen muss, Kassaei die von morgen. Die Richtung von Kassaei ist aus meiner Sicht die richtige, auch wenn der Begriff „kreative Unternehmensberatung“ unglücklich gewählt ist."
Weiter mit Udo Klein-Bölting, BBDO Consulting
Udo Klein-Bölting, CEO BBDO Consulting
"Ich halte die Diskussion für überfällig. Allerdings ist es schade, dass sie von dem einen oder anderen Kollegen instrumentalisiert wird."