Führung muss sich in der Wissensgesellschaft neu erfinden. Vertrauenskultur schlägt Machtausübung und wird zum wichtigen Instrument, um ein Unternehmen besser zu machen und Talente anzuziehen. Davon ist Kim Notz, Managing Partner von KNSKB+ überzeugt. In ihrem Gastbeitrag für HORIZONT Online erklärt sie, wie man eine Führungskultur schafft, in der Mitarbeiter an ihren Aufgaben wachsen können.
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser. Moment. Lautete dieser Spruch nicht mal anders? Genau. Denn er stammt aus einer Zeit, als Führungskultur noch deutlich anders aussah. Hierarchie war Trumpf, was der Chef – oder eher selten die Chefin – sagte, war Gesetz. Mitarbeiter*Innen mussten Vorgaben von oben umsetzen und wurden auf dem Weg dorthin kontrolliert. Zwar gibt es diese Art von Führungspersonal noch immer, sie sind aber eine aussterbende Spezies.
Die Digitalisierung rüttelt nämlich auch an der Führungskultur. Und das ist verdammt gut so. In unserer VUCA Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) kann niemand behaupten, den Stein der Weisen zu kennen und alle Antworten auf die Fragen unserer immer komplexeren Welt zu haben. Wir sind längst mitten in der Wissensgesellschaft angelangt, die das Zusammenspiel und Wissen aller Mitarbeiter*Innen benötigt, um zu adäquaten Lösungen zu kommen.
Die Rolle als Führungskraft hat sich entsprechend gewandelt. Natürlich müssen Erwartungen und Ziele klar formuliert werden. Aber dann sind wir als Coach gefragt, um Mitarbeiter*Innen zu befähigen, eigenverantwortlich zu denken, zu arbeiten und in einer vertrauensvollen Unternehmenskultur zu eigenen Lösungen zu kommen. Und natürlich gehört dazu auch die Toleranz, Fehler zuzulassen.
Keine Vorschriften, dafür viele Fragen stellen
Aber wie kann so eine veränderte Führungskultur konkret aussehen? Für mich gehört zum Beispiel dazu, meinem Team mehr Fragen zu stellen, als ungefragt gleich mit Antworten um die Ecke zu kommen. Wenn sie meinen Rat oder Feedback brauchen, sprechen sie mich von sich aus an. Ich übe weder Kontrolle aus, noch mische ich durch Mikromanagement bei der Lösungserarbeitung mit, weil ich insgeheim denke, ich könne es doch besser. So schafft man nämlich nicht die Kultur, in der Mitarbeiter*Innen wachsen können. Und genau das ist ja im Interesse der Organisation: ein Team, das immer besser wird und sich auch komplexe Aufgaben zutraut. Vorschriften und Kontrolle wären da absolut kontraproduktiv.
Menschen, mit denen ich arbeite einen Vertrauensvorschuss zu geben, bedeutet natürlich, über eine gewisse innere Gelassenheit und auch Selbstbewusstsein zu verfügen. Führungskräfte, die Macht und Kontrolle brauchen, sind im Grunde schwache Führer*Innen und schlecht für das Unternehmen.
Natürlich hat Vertrauen seinen Preis: Die Gewissheit, ob man jemanden vertrauen kann, zeigt sich kaum unter Schönwetter-Bedingungen, sondern eher in schwierigen Zeiten. Und wer Vertrauen missbraucht, muss mit Konsequenzen rechnen. Meine Erfahrung ist jedoch, dass eine Vertrauenskultur insgesamt zu besseren Ergebnissen und zu einem größeren Zusammenhalt im Team führt. Führung wird also ganz und gar nicht überflüssig, sondern verändert sich.
Führungskultur ist Employer Branding
Mein Führungsverständnis ist intrinsisch motiviert und durch eigene Erfahrungen der Vergangenheit geprägt. Aber natürlich wirkt sich diese Führungskultur auch nach außen aus. Die junge Generation wird klassische Führungskultur durch Machtausübung kaum mehr akzeptieren. Der Wettbewerb um die besten Talente im Markt ist einer, der künftig auch über Unternehmenskultur entschieden wird. Und daran hat die Führungsmentalität einen großen Anteil.
Wo werden Menschen lieber arbeiten? Bei einem hierarchisch organisierten Unternehmen oder einem, das Freiraum gibt, damit sie sich entfalten und entwickeln können? Die Antwort liegt auf der Hand. Hier schließt sich der Kreis, warum Kontrolle gut, aber Vertrauen eben besser ist.