Beim Thema Marken und Haltung gibt es in der Werbebranche derzeit eigentlich einen breiten Konsens. "Haltung ist ein extremer Erfolgsfaktor", gab erst kürzlich
Ogilvy-Manager Stephan Vogel im HORIZONT-Interview zu Protokoll. Als Nike vor wenigen Wochen
mit dem Trump-Feindbild Colin Kaepernick warb, wurde der Sportartikelhersteller
nicht nur mit Lob überschüttet. Auch
die Umsätze stiegen. Was Marketing-Verantwortliche eigentlich nicht wundern sollte. Schließlich hat unter anderem die PR-Agentur Edelman unlängst in einer Studie nachgewiesen, dass
die Haltung von Marken das Kaufverhalten von Konsumenten unmittelbar beeinflusst.
Macht der "Best Case" Nike nun Schule? Der Umgang mit Saudi-Arabien drängt sich als Gradmesser für Haltung geradezu auf. Zur Erinnerung: Die saudische Regierung hat nach anfänglicher Leugnung inzwischen eingeräumt,
dass der regimekritische Journalist Jamal Khashoggi am 2. Oktober im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul getötet wurde. Und mit einem Land, das - auch wenn die "Untersuchung" durch die saudische Justiz noch nicht offiziell abgeschlossen ist - kritische Journalisten um die Ecke bringt, möchte man doch keine Geschäfte machen. Oder spielt das alles keine Rolle, wenn milliardenschwere Aufträge winken?
Die Chefs von 20 Großkonzernen - darunter
JPMorgan, Ford, Uber und Deutsche Bank - haben auf diese Frage eine klare Antwort gegeben und vergangene Woche ihre Teilnahme an der Investorenkonferenz in Riad kurzfristig abgesagt. Und damit nicht nur auf Milliardenaufträge verzichtet, sondern vor allem eines bewiesen, nämlich Haltung. Auch Siemens-Boss Joe Kaeser, der nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg einen bis zu 20 Milliarden US-Dollar schweren Vertrag hätte unterzeichnen können, ist der Konferenz am Ende ferngeblieben. Weil der öffentliche Druck nämlich so groß war, dass eine Teilnahme nicht mehr vermittelbar gewesen wäre.
Und Publicis? Die französische Werbeholding sieht aktuell
keinen Anlass, die Zusammenarbeit ihrer PR-Tochter Qorvis Communications mit der saudischen Regierung infrage zu stellen und poliert das Image des Landes fröhlich weiter auf. Die Begründung von Verwaltungsratschef Maurice Levy ist geradezu bemerkenswert. "Wie Sie wissen, gibt es derzeit eine Situation, die mindestens verwirrend ist", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Niemand wisse bislang, wer genau den Befehl zur Ermordung Khashoggis gegeben habe. "Wir können es uns vorstellen, aber es gibt keinen Beleg", so Levy weiter.
„Es gibt derzeit eine Situation, die mindestens verwirrend ist.“
Maurice Levy
Maurice Lévy will weiter für Saudi-Arabien arbeiten
Damit erinnert Levy gewisserweise an das berühmte japanische Sprichwort mit den drei Affen, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen wollen. Klar, Haltung zeigen kann auch weh tun. Und ja: Publicis steht nach einem extrem schwachen ersten Halbjahr - der Umsatz war in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres
um 8,2 Prozent auf 4,28 Milliarden Euro gesunken - von nach wie vor unter Druck, auch wenn CEO Arthur Sadoun kürzlich
für das dritte Quartal bessere Zahlen präsentieren konnte. Dennoch ist die Argumentation von Levy fadenscheinig und kann nicht über eine Wahrheit hinwegtäuschen: Es gibt Unternehmen, die im Fall Saudi-Arabien Rückgrat und Haltung bewiesen haben. Publicis gehört nicht dazu.
mas
Haltung immer gerne - außer es geht um´s Geld!