Maik Richter, CEO Heimat
Seit Corona und Homeoffice-Pflicht kennt sie fast jeder: Videocalls über Teams, Zoom, Webex, Gotomeeting und andere Anbieter virtueller Konferenzen. Oft dienen sie der Entlastung, manchmal sind sie aber nichts anderes als Zeiträuber, die die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Arbeit ablenken. Heimat-Chef Maik Richter zieht daraus die Konsequenzen - und will die Anzahl der Calls in seiner Agentur massiv reduzieren.
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"Ich stell' uns mal 'nen Call ein." So heißt es Tag ein Tag aus. Mit zunehmender Tendenz. Mit zunehmender Begeisterung. Aber auch mit zunehmender Verzweiflung. Denn die Kalender werden immer voller. Und vermutlich jeder, der das jetzt liest, fragt sich: Wann soll man eigentlich noch arbeiten? Die Lösung findet sich vermeintlich im Mobile Office, in dem man ja in Ruhe und ungestört denken und arbeiten könnte. Könnte, wenn nicht ständig ein Call dazwischen käme. Das passiert vielen sehr oft. Denn irgendwoher müssen ja all die Teilnehmer kommen, die so in Calls auftauchen und auch eingeladen waren.

Mehr Meetings. Mehr Leute. Weniger Fokus. Dafür umso mehr – also als logische Konsequenz – Gesabbel. Die viel zu vielen Meetings waren auch schon vor dem März 2020 vielerorts ein Thema. Und hier und da gar ein Problem.
Wie wollen wir in einer Branche wie der unseren, Hochleistung erbringen – im Korsett der halb- oder einstündigen Calls?
Maik Richter
Aber heute! Heute ist der "Call" ja so eine Art Fetisch geworden. "Ich stell' uns mal 'nen Call ein". Obwohl man auch einfach anrufen könnte. Oder kurz rübergehen. Oder gemeinsam spazieren. Zu zweit. Und schon ist etwas besprochen oder gar gelöst und es geht für alle weiter. Nee. Man organisiert lieber einen "Call" und nimmt auch gleich noch drei weitere KollegInnen mit. Das wird mit wachsender Anzahl von TeilnehmerInnen aber immer schwieriger. Die Kalender sind ja schon voll. Doch, doch. "Dann wissen alle auch gleich Bescheid" – das hat dann die Oberhand. Und viele finden sich in endlosen Calls, in den viel zu viel gesabbelt wird.

Aber irgendwann kommt ja in jedem Call der Moment, in dem es heißt: 5 Minutes left. Erlösung für die, die ohnehin nichts in diesem Call beitragen konnten oder mitnehmen hätten können. Fluch für die, die eigentlich was erreichen wollten.

Bleibt also die Frage: Wie wollen wir in einer Branche wie der unseren, Hochleistung erbringen – im Korsett der halb- oder einstündigen Calls? "Du bist noch auf mute". Oder zu leise, zu laut, im Auto oder offenbar neben einer laufenden Schrott- oder Saftpresse. Das kommt ja oft noch hinzu. Ganz davon zu schweigen, wie es sich anhört, wenn eine angeregte Diskussion dazu führt, dass zwei gleichzeitig sprechen. Wie soll hier das Beste entstehen?

Ja, ich übertreibe vielleicht ein wenig. Ich weiß, nenne es aber Zuspitzung. Denn wir haben es doch alle schon oft genug erlebt. Calls sind super – wenn sie richtig und maßvoll genutzt werden. Ebenso wie "damals" schon die physischen Meetings. Wir dürfen es nur nicht übertreiben und uns nicht kaputt meeten. Kaputt im wahrsten Sinne, wenn am eigentlichen Ende eines Arbeitstages die Mitarbeitenden müde von lauter Calls feststellen müssen, dass die eigentliche Arbeit noch gar nicht richtig getan ist.

Daher heißt es jetzt bei Heimat: Halbierung der virtuellen Calls. Und der Meetings überhaupt. Dafür Förderung des persönlichen Miteinanders. Macht mit auf der Reise raus aus dem Meetingwahnsinn. Wir freuen uns drauf und auf die gewonnene Zeit – in der wir das machen, was uns am Liebsten ist: Die beste Werbung.

Und an alle, die es jetzt vielleicht falsch verstehen: Es ist kein Abgesang an die digitalen Meetingtechnologien. Das hat uns seit dem 16. März 2020 positiv begleitet und ist auch heute noch wesentlich für eine flexible Arbeitsweise und -welt. Aber in Maßen und wie schon vor diesem denkwürdigen Tag, sind zu viele Meetings eben zu viele Meetings. In diesem Sinne: "Ich lösch' uns mal einen Call".
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