Es ist eines der wichtigsten Branchenerkenntnisse des jungen Jahres: der scheinbar weltweit geltende
Vertrauensverlust der Verbraucher in Politik, Unternehmen, Marken und ihre eigene Zukunft. In Deutschland ist das Verbrauchervertrauen im Januar 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 5 Prozent geschrumpft. Unsere Zukunft erscheint vielen Menschen volatil, unsicher, komplex und unklar. Wahrgenommene Bedrohungen gibt es zuhauf: politische, soziale, wirtschaftliche, technologische und ökologische. Paul Marsden, Konsum-Psychologie bei Syzygy, erklärt vor diesem Hintergrund in seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online, welche drei Konsumtrends das Jahr bestimmen werden.
Trend 1: Digital Wellbeing
In einer Welt, die heute gefährlicher denn je erscheint, sehnen sich Verbraucher verstärkt nach Schutz. Marken tun also gut daran, Konsumenten Services und Produkte anzubieten, die diese Sehnsucht bedienen und konkret dabei helfen, das Leben der Menschen gefühlt ein bisschen sicherer zu machen. Die Verbraucher wollen nämlich in einer sichereren digitalen Welt einkaufen, frei von Online-Manipulationen, Überwachung, Hassreden und den schädlichen Auswirkungen der digitalen Abhängigkeit. Oder sie wollen dem zumindest etwas entgegensetzen.
Marken tun gut daran, Konsumenten Services und Produkte anzubieten, die konkret dabei helfen, das Leben der Menschen ein bisschen sicherer zu machen.
Paul Marsden
Somit dürfte das Angebot an "Digital-Wellbeing"-Produkten und -Services die nächsten Monate noch wesentlich größer und breiter werden. Damit sind Meditations-Apps wie etwa Calm oder Headspace gemeint, die Menschen helfen, nach einem stressigen Arbeitstag runterzukommen, aber auch Angebote wie Nike Run Club, die Jogging-Fans in jeder Stadt der Welt tolle Laufstrecken zeigen. Darüber hinaus werden Verbraucher immer mehr Health-Angebote nutzen, die den Arzt zwar sicher nicht ersetzen, aber zur Gesundheitsprävention dienen. Der weltweite Erfolg von Moodpath, mit der sich Stimmungen beobachten lassen, um Depressionen zu verhindern oder zumindest frühzeitig zu erkennen, spricht für sich.
Trend 2: Grüner Konsum
Hand in Hand geht dieser Trend mit einer Verschiebung des Shopping-Verhaltens in Richtung grünem Konsum. Umweltschäden werden zum Massenproblem. Gerade jüngere Generationen beschäftigen sich mit der Frage, welche Auswirkungen digitale Technologie auf unsere Umwelt hat. Nachhaltigkeit ist kein Nischenthema mehr, sondern gerät mehr und mehr in den Fokus einer breiteren Konsumentenschar. Dass Samsung gerade jetzt angekündigt hat, verstärkt Plastik bei den Verpackungen zu reduzieren und zu recyclen, ist sicher kein Zufall. Fehlverhalten von Unternehmen wie Steuern umgehen, der Umwelt schaden, Verbraucher austricksen, sind für eine zunehmende Anzahl von Menschen keine Kavaliersdelikte mehr.
Trend 3: Purpose vor Gewinn
Daraus ergeben sich aber auch neue Chancen. Nämlich wenn Unternehmen mit ihren Produkten und Angeboten einen sinnhaften Zweck verfolgen und bei gesellschaftlichen Fragen
Haltung zeigen. Purpose heißt das Schlagwort der Stunde. Verbraucher werden mehr darauf achten, ob es Marken nur ums Verkaufen geht oder sie quasi Purpose vor den Gewinn setzen. Gerade vor dem Hintergrund einer zerstörten, gespaltenen und gefährlichen Welt suchen die Verbraucher nach Marken, die ihnen Sicherheit und Schutz vermitteln. Und diese sind für sie eher bei den Purpose orientierten Unternehmen und Marken zu finden.
Neue Konsumgruppe der Generation Z braucht Bestätigung
Aus konsumpsychologischer Sicht ist diese Verschiebung Richtung Schutz und Sicherheit besonders interessant, da sie die Denkweise der Generation Z widerspiegelt. Die Generation Z ist die jüngste Kohorte an jungen Erwachsenen in Deutschland, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Die Generationenforschung zeigt, dass sich die Generation Z weniger zuversichtlich, weniger hoffnungsvoll und beträchtlich ängstlicher fühlt als die älteren Millennials. So sind zum Beispiel Depressionen bei jungen Erwachsenen in Deutschland in den letzten zehn Jahren um 76% gestiegen. Jeder vierte junge Erwachsene litt unter psychischen Problemen wie Angststörungen, Panikattacken oder Depressionen. Eine im Deutschen Ärzteblatt International veröffentlichte Studie ergab sogar, dass sich inzwischen jeder dritte deutsche Teenager absichtlich selbst verletzt. Die Ursachen dieses Generationswechsels werden derzeit untersucht, aber Psychologen weisen auf die Auswirkungen digitaler Technologien, auf Veränderungen im Erziehungsstil und auf wirtschaftliche Unsicherheit hin.
Verbraucher werden mehr darauf achten, ob es Marken nur ums Verkaufen geht oder sie quasi Purpose vor den Gewinn setzen.
Gerade diese nachrückende, eher ängstlich geprägte Konsumgruppe ist in Deutschland somit für Lösungen besonders empfänglich, die ihre Welt sicherer machen, Vertrauen wiederherstellen und ihnen helfen, in einer schwierigen Welt besser zurechtzukommen. Wir stehen also vor einer Konsumentenwende. Das Vertrauen der Millennials wird von der Vorsicht der Generation Z als Konsument abgelöst. Während die Millennial-Kultur etwa gut auf Kampagnen im L‘Oréal-Stil "Weil ich es mir wert bin" reagiert, wird die Kultur der Gen-Z anders sein. Statt zu loben, brauchen diese jungen deutschen Konsumenten von Marken vor allem Bestätigung. Die Werbetreibenden sollten sich besser schon jetzt auf diesen Konsumenten-Shift einstellen.