"Sind Exklusiv-Agenturen doch nicht so toll?", lautete vergangene Woche die Headline eines HORIZONT-Kommentars zum Pitch bei McDonald's. Eine sehr klare Meinung zu diesem Thema hat Phillip Schilling. Der CEO der Hamburger Werbeagentur Track nennt in seinem Gastbeitrag fünf Gründe, warum Exklusivvereinbarungen nicht zu mehr, sondern zu weniger Know-how und somit zu suboptimalen Ergebnissen führen.
Dass wir in hoch kompetitiven Zeiten leben, ist unbestritten. Und mit der abflauenden Konjunktur dürfte der Wettbewerb in den Branchen noch weitaus rauer werden. Es ist also im Interesse der werbungtreibenden Industrie, sich die besten Kommunikationsberater an die Seite zu holen, die sie auf dem Markt finden kann. Gerade weil Marketing komplexer wird und viel mehr Know-how und Spezialwissen erfordert.
Doch was machen die Marketeers von Unternehmen? Sie arbeiten mit Regeln aus einer Zeit, in der die Branche vor allem Kampagnenideen für eine limitierte Anzahl von Werbekanälen entwickelt hat. Während es bei Unternehmensberatungen gang und gäbe ist, dass diese zahlreiche Kunden einer Branche beraten, unterbinden die Marketingabteilungen diese Handhabe bei Agenturen. Dabei führen Exklusivvereinbarungen nicht zu mehr, sondern zu weniger Know-how und somit zu suboptimalen Ergebnissen. Im Interesse der Kunden kann das eigentlich nicht sein. Fünf Argumente, die für die Aufhebung sprechen.
Erstens: Wenn man als Agentur heute einen exzellenten Job für einen Werbetreibenden machen will, braucht man hochaktuelles Branchenverständnis. Wir sprechen ja längst nicht mehr nur von klassischen Werbeideen, sondern vielmehr von Kundenerlebnissen, die stark von Produktspezifikationen, Einkaufsverhalten und branchenspezifischen Regulierungen und Vorgaben geprägt werden.

Pitch bei McDonald's
Sind Exklusiv-Agenturen doch nicht so toll?
Eine ganze Zeit galten sie als der Agentur-Weisheit letzter Schluss: Exklusiv auf einen Kunden ausgerichtete Einheiten, die sich um nichts anderes kümmern als um dieses eine Mandat. Beispiele gibt es mehr als genug, national wie international. ...
Je tiefer also eine Agentur in eine Branche eintaucht, indem sie für verschiedene Kunden dieses Segments arbeitet, desto wertvoller wird sie für Unternehmen. Denn Marketingabteilungen brauchen heute mehr denn je Qualität und Exzellenz – und die entsteht nicht durch restriktives Denken, eingeschränkten Erfahrungsaustausch und Branchenexklusivität.
Wer sich immer nur – bedingt durch Exklusivitätsklauseln – am alten Wettbewerb abarbeitet, kann das Marketing kaum in die Zukunft führen.
Phillip Schilling
Zweitens: Der Wettbewerb der Unternehmen beschränkt sich in Zeiten digitaler Transformation längst nicht mehr auf die üblichen Konkurrenten der Branche, sondern hat sich deutlich ausgeweitet. Ist es also nicht schizophren, dass sich Marketingabteilungen gegen alte Wettbewerber absichern, während sie die neuen Disruptoren gar nicht auf dem Schirm haben? Um Lösungen zu finden, die auch den neuen Wettbewerb in Schach halten, braucht man jedoch Kommunikationsberatungen, die sich mit der neuen Konkurrenz auch auskennen. Wer sich immer nur – bedingt durch Exklusivitätsklauseln – am alten Wettbewerb abarbeitet, kann das Marketing kaum in die Zukunft führen.
Drittens: Durch ein Festhalten an Exklusivität schränken die Marketingabteilungen die eigene Auswahl an geeigneten Agenturpartnern ein. Man stellt quasi sicher, dass seine externen Partner keine externen Impulse einsammeln – man hält seine eigenen Agenturen also „dumm“. Hinzu kommt: Ein Marketingverantwortlicher schwächt dadurch letztlich seine eigene Position im Unternehmen. Wer wegen eines falschen Kommunikationspartners nicht auf der Höhe der Zeit agiert, kann besonders in härteren Wettbewerbszeiten durchaus karrieretechnisch aus der Kurve fliegen.
Viertens: Auch für die Agenturen selbst ist es wichtig, für mehrere Kunden in einem Segment zu arbeiten. Durch Exklusivität und Vertragslaufzeit werden wir alle zwei bis drei Jahre auf den Prüfstand gestellt. Dabei müssen wir uns aber nicht unbedingt gegen die besten Wettbewerber am Markt durchsetzen, sondern vor allem gegen die, die in der Branche nicht aktiv waren oder aktuell sind. Kurzfristig stärkt das möglicherweise unsere Position, aber die Substanz gegenüber externen Playern, die nicht originär aus unserer Branche kommen, stärkt das nicht. Selbstkritisch gefragt: Können wir als Agenturbranche damit guten Gewissens behaupten, dass das Leistungsangebot dem bestmöglichen entspricht, wenn wir durch Exklusivvereinbarungen von Entwicklungen im jeweiligen Segment abgeschnitten waren? Stellen wir damit sicher, dass wir auch in Zukunft gegen Dritte im Markt wettbewerbsfähig sind?
Erinnern wir uns nochmal daran, dass Exklusivität ursprünglich geschaffen wurde, damit sensible Informationen zu neuen Produkten nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Mittlerweile werden Produktinformationen längst von den Unternehmen frühzeitig, z. B. über Social Media, selbst geteilt, also nicht mehr so restriktiv gehandhabt wie früher. Darüber hinaus geht es heute bei der Auswahl von Agenturen nicht mehr nur um die besten Ideen(-produzenten). Die Leistung von Agenturen beschränkt sich in Zeiten von Experience Design, Marketingautomatisierung, Personalisierung, Data und Co. doch schon lange nicht mehr auf Kreativideen. In Zeiten von Always on, Micro-Kampagnen, Social Media und programmatischer Werbung haben Marketingabteilungen auch keinen Überblick mehr darüber, was der Wettbewerb kann und was ihn möglicherweise erfolgreich macht. Es ist also ein ganz anderes Know-how vom Agenturpartner gefordert.
Fünftens: Ja, die Agentur ohne Exklusivvereinbarung wird nicht nur für das eigene Unternehmen besser, sondern auch für die Wettbewerber attraktiver. Das halte ich aber für kein echtes Problem. Denn zum einen wechseln doch genügend Unternehmensmitarbeiter selbst zwischen den Wettbewerbern und lassen dieses Wissen zirkulieren. Da ist die Agentur doch nur ein sehr begrenzter Teil eines Risikos, das auf anderen Ebenen nicht gemanagt wird. Zum anderen muss Wissen doch unternehmensspezifisch angewendet werden und kann gar nicht 1:1 übertragen werden. Heute wird der Erfolg des Marketings zu einem großen Teil von Strukturen und Prozessen bestimmt, deren Komplexität man nicht mal eben reproduzieren kann.
Fazit
Exklusivitätsvereinbarungen führen letztlich dazu, dass sich externes und internes Wissen annähern, sowohl Agenturen also auch Unternehmen die Innensicht stärken, was das Marketing und das Unternehmen per se im Wettbewerb zumindest nicht stärker macht. Mehrwert für das Marketing entsteht durch umfassende Expertise einer Branche in der Tiefe. So ist es bei Zulieferern, bei Unternehmensberatern und so sollte es auch bei Kommunikationsberatern und Agenturen sein.