Jürgen Scharrer
Pitch-Jahr 2017

5 Thesen zur Entwicklung des Media-Geschäfts

In diesem Jahr stehen besonders viele und besonders große Media-Pitches an. Fünf Thesen zu möglichen Siegern und Verlierern - sowie zu neuen Spielregeln im Media-Business. 
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Erstens

Die Omnicom Media Group (OMG) bläst zum Angriff auf den übermächtigen Marktführer Group M. 2016 schnappte die OMG-Agentur PHD Mediacom den VW-Etat weg, in diesem Jahr geht es – unter anderem – um Procter & Gamble (P&G). In den USA sorgt die neue Agentur Hearts & Science gerade für gewaltig Furore und gewann die Media-Etats von AT&T und eben P&G. Jetzt schickt OMG-Chef Florian Adamski den Newcomer auch in Deutschland ins Rennen – eine klare Kampfansage an die Group-M-Agentur Mediacom.

Zweitens 

Wer bleibt hinter seinen Erwartungen zurück? In den vergangenen Monaten verkündete ein Agenturchef nach dem anderen spektakuläre Wachstumsziele. Initiative, bisher die Nummer 10 im Markt, will den Umsatz verdoppeln und in die Top 5 aufsteigen. PHD ist entschlossen, den Rückenwind von 2016 zu nutzen, um weiter auf der Erfolgswelle zu surfen – muss aber jetzt erst einmal aufpassen, sich an dem Mega-Etat von VW nicht zu verschlucken. Und dann ist da ja auch noch MEC, deren Chef Tino Krause vor Angriffslust sprüht: „Was Neugeschäft betrifft, können Sie von MEC in diesem Jahr sehr viel erwarten.“Alle wollen Marktanteile gewinnen – eine Rechnung, die nicht aufgehen kann. Es sei denn, Marktführer Mediacom verliert nach VW auch noch P&G und Telekom. Was dann tatsächlich einem mittleren Erdbeben im deutschen Media-Business gleichkäme. 

Drittens

Die vielleicht schönsten Media-Geschichten 2016 waren die Wechsel der hochrangigen Group-M-Manager Oliver Blecken (Mediacom) und vor allem Christof Baron (Mindshare) zu JOM und Pilot. Wenn jetzt auch noch Group-M-Chef Matthias Brüll zu Serviceplan/Mediaplus geht (was nach wie vor unsicher ist), kann man endgültig von einem veritablen Trend sprechen. Jedoch: Der Nachweis, dass ehemalige Network-Manager inhabergeführte Agenturen wie Pilot und JOM wirklich zu (noch) mehr Schlagkraft im Neukunden-Geschäft verhelfen, steht noch aus.

Viertens 

Es gibt aber noch etwas, das dafür sorgen könnte, dass 2017 ein besonderes Pitch-Jahr wird. Bisher war es so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz: Zwar reden alle immer gern und ausgiebig über Strategie – am Ende gewinnt dann aber doch meist die Agentur den Pitch, die die besten Einkaufskonditionen verspricht. Es geht also um die simple Frage: Wo bekomme ich am meisten Werbung für mein Geld? Das wird sich auch 2017 nicht grundsätzlich ändern, aber es kommen andere Faktoren hinzu, die vehement an Bedeutung gewinnen. Fast alle großen Werbungtreibenden denken darüber nach, wie sie ihr Agentur-Set-up so aufstellen können, dass es in das Zeitalter der digitalen Transformation passt.

Wobei es dabei zwei massive Trends gibt, die sich auf den ersten Blick scheinbar widersprechen. Zum einen sehnen sich die Unternehmen nach einem Generalisten, nach einer Leadagentur, die hilft, die ganzen unterschiedlichen Disziplinen irgendwie zu orchestrieren. Andererseits wird es bei den anstehenden Pitches wohl so sein, dass noch stärker als bisher Einzelbereiche ausgeschrieben werden. Was zur Folge hat, dass neben den klassischen Mediaagenturen zunehmend auch neue Player wie Unternehmensberatungen zum Pitch geladen werden.

Fünftens 

Dazu passt ein anderer Trend: Die Media-Networks sind gerade dabei, ihr Angebotsspektrum massiv auszuweiten. Es geht nicht mehr nur um Mediapläne und Einkauf, sondern auch um Content Marketing, E-Commerce, Dynamic Creation oder spezielle Consulting-Leistungen im Technologiesektor. Diese Diversifizierung ist einerseits „alternativlos“, weil im klassischen Media-Business die Renditen absehbar unter Druck geraten und die hochprofitablen Trading-Geschäfte an Grenzen stoßen. Andererseits ist die Sache auch riskant: Wer zu stark diversifiziert, kann sich leicht verheddern. Und ob sie wirklich mehr können als Media, müssen die Mediaagenturen erst noch beweisen. js

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