Deutschlands Agenturen haben ein massives Personalproblem. Dass insbesondere kleinere Dienstleister bei den heiß begehrten Fachleuten schlechte Karten haben, weiß Stefan Neukam nur zu gut - aus eigener Erfahrung. In seinem Gastbeitrag erklärt der Managing Partner der Agentur Bloom, warum Guerilla-Recruiting eine Lösung sein kann - und worauf dabei zu achten ist.
Früher waren flache Hierarchien, ein lockeres Verhältnis mit dem Chef und ein kreatives Arbeitsumfeld das, womit Agenturen punkten konnten – inzwischen locken sie mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, Homeoffice, Sabbaticals und hauseigenen Kindergärten. Und trotzdem hat die gesamte Branche ein Recruiting-Problem. Insbesondere erfahrene Leute sind schwer zu bekommen. Das trifft Mittelständler besonders hart. 30-50-Mann-Agenturen können Bewerbern durchaus viele der oben genannten USPs bieten, Spitzengehälter wie bei den "Großen" sind aber leider nicht drin. Und abseits der Werbemetropole, in der Provinz, ist die Konkurrenz bei der Talentsuche noch größer. Keine ideale Ausgangslage in Zeiten der digitalen Transformation im Wettstreit um Berater, Konzeptioner, UX-Designer, diversen Online-Spezialisten und Kreativ-Direktoren.
Aber wie kommt man an die begehrten Wunschkandidaten ran? Allein über Stellenanzeigen wohl kaum. Beim Recruiting muss man also einfallsreicher, innovativer oder auch witziger sein, um als Arbeitgeber auf sich aufmerksam zu machen. Mit Guerilla-Recruiting! Selbst jene Kandidaten, die sich bereits anderwärtig verpflichtet haben, können mit einer richtig guten Aktion für die eigene Agentur gewonnen werden. Hier drei Beispiele, die zeigen, wie man mit innovativen Personalmarketing-Strategien überzeugen kann.
1. Pop-up-Store: Recruiting direkt vor der Nase der Konkurrenz
Frech kommt weiter: Der Pop-up-Store von Zum Goldenen Hirschen
Eine ausgefallene Aktion hat sich beispielsweise die Agentur Zum golden Hirschen in Berlin ausgedacht. Umgeben von Kreativschmieden wie Antoni, BBDO, Dieckertschmidt, DDB und Aimaq von Lobenstein haben die Hirschen zum 20. Bestehen mit einem Pop-up-Store in Berlin-Mitte viel Eindruck gemacht. Aufmerksamkeitsstark inszeniert mit goldener Türschwelle und einem goldenen Produktsortiment, lockte der Shop viele neugierige Passanten, Touristen und Kreative anderer Agenturen an. Und ganz nebenbei durfte hier jeder auch seine Bewerbung abgeben und erste Connections schließen. Die Idee zu dem Pop-up-Store in Mitte entstand im Meeting. Damit ist es den Berlinern gelungen, den Spaß, den die Mitarbeiter bei der Arbeit haben, und die Identifikation mit der Agentur authentisch nach außen zu tragen.
2. "Die Schweinebauchs": Recruiting mit Fake-Agentur
Sorgten für Aufmerkamkeit: Die Schweinebauchs
Auch unsere eigene Aktion hat für Gesprächsstoff gesorgt: Zum 1. April letzten Jahres schickten wir die neue Werbeagentur „die Schweinebauchs“ in München mit einem schlanken Agenturkonzept und guten Vorsätzen an den Start. Man wolle ehrliche Reklame mit standardisierten Werbemitteln machen, mit absoluter Transparenz, ohne den branchentypischen Wasserkopf – so war es in der Fachpresse zu lesen. Darüber hinaus sorgten Food Trucks vor Standorten großer Netzwerkagenturen in München, Nürnberg/Erlangen sowie Frankfurt für viel Aufmerksamkeit. Plakate warben mit dem Motiv „GRATIS – Ehrliches Essen für ehrliche Werber.“ Dazu gab es als Give-aways Visitenkarten und ein Info-Poster mit typischen Störern und einem Teaser zur frisch gelaunchten Schweinebauch-Website. Denn dort war eine ganze Latte an vielversprechenden Jobs ausgeschrieben. Bei Klick auf den Job wurde der Interessent direkt auf eine passende Stelle auf der Website von Bloom umgeleitet. Die Idee zur Fake-Agentur und die damit verbundene Karikatur der Branche war ein voller Erfolg, denn einige Positionen konnten wir tatsächlich besetzen – und zwar mit Kandidaten, die sonst nie auf uns aufmerksam geworden wären.
3. Recruiting via Snapchat mit Darth Vader und Yoda
McCann fahndete auf der Snapchat Recruiting Week nach Talenten
Selbst große internationale Agenturen wie McCann gehen völlig neue Wege, um an die passenden Leute zu kommen. Mit der
Snapchat Recruiting Week Ende Oktober 2016 hat McCann Deutschland ein echtes Experiment gewagt. Während der Bewerberwoche sollten Young Professionals ermutigt werden, sich via Snapchat zu bewerben. Entwickelt wurden die drei eingesetzten Motive mit den Star Wars-Helden Darth Vader und Yoda "Snap Dich zum Erfolg!", "Arsch in der Hose?" und "Zur Karriere Dich snappen Du musst!" von Berufsanfängern aus der McCann Worldgroup – klar, wer weiß besser, wie die junge Zielgruppe tickt. Die Aktion wurde 14 Tage vor dem Start an Hochschulen, Fachhochschulen und Universitäten mit Plakaten sowie über Social Media angeteasert und während der Woche auf Snapchat und Youtube mit Videos aus dem Agenturalltag begleitet. So hat McCann den Kanal auch als Multiplikator genutzt, um den Interessenten einen Blick hinter die Kulissen zu bieten. Laut Agentur hat es sich gelohnt, mal etwas Anderes zu probieren: Insgesamt gingen 500 Snaps ein, darunter 50 klassifizierte Bewerbungen. Aktuell läuft die Auswertung.
Fazit: Mit kreativen Personalmarketing-Strategien lässt sich punkten
Diese drei Beispiele belegen: Mit kreativen Personalmarketing-Strategien kommt man schneller an die Bewerber. Diesen drei Agenturen ist es gelungen, Neugierde für ihre offenen Stellen zu wecken. Gleichzeitig haben sie die Möglichkeit genutzt, sich als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren. Sei es über persönliche Gespräche oder über inspirierende Videos. Dabei waren alle Aktionen so stark, dass auch die Internet-Comunity darüber sprach und somit auch nach dem Aktionszeitraum weitere Bewerber angelockt wurden.
Und hier noch fünf Tipps, worauf Sie beim Guerilla-Recruiting achten sollten:
1.
Erwischen Sie Ihre Zielgruppe dort, wo sie es nicht erwartet
Guerilla-Recruiting spielt mit dem Überraschungseffekt. Am besten schlagen Sie zu, wenn die potentiellen Kandidaten am wenigsten mit Ihnen rechnen. Beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit, im Job selbst, während dem Einkaufen oder beim Ausgehen.
2.
Die Aktion muss authentisch sein und zum Unternehmen passen
Es macht überhaupt keinen Sinn, sich durch eine aufmerksamkeitsstarke Maßnahme als jungen, dynamischen Arbeitgeber zu präsentieren, wenn danach ein bürokratischer, umständlicher Bewerbungsprozess folgt. Das passt nicht zusammen und schreckt Bewerber eher ab.
3.
Bleiben Sie konsistent und positiv
Der mögliche Bewerber sollte nicht nur mit einer kreativen Maßnahme angesprochen werden, auch die Stellenausschreibungen, alle Informationen auf der Internetseite und die Social-Media-Präsenzen sollten stimmig sein und nicht in eine völlig andere Richtung gehen.
4.
Nutzen Sie Ihre Kampagne für einen zusätzlichen PR-Effekt
Ist die Aktion gut, dann berichten in den meisten Fällen auch die Medien darüber. Ein schöner Nebeneffekt, der zusätzlich Aufmerksamkeit für Ihre Kampagne bringt und das Image der Agentur als Arbeitgebermarke stärkt.
5.
Sorgen Sie für Buzz in den digitalen Medien
Um für hohe Aufmerksamkeit zu sorgen, ist es wichtig, auch online aktiv zu werden. Machen Sie bereits im Vorfeld über Ihre Social-Media-Kanäle die Aktion an. Bauen Sie eine passende Landingpage und stellen Sie Informationen im Netz bereit. Zudem macht im Nachklapp die Verbreitung einer Case Study zu Konzept, Umsetzung und den Ergebnissen Sinn, damit man auch später noch über Sie als Arbeitgeber spricht.