"Das
vielzitierte 'Affen-Statement' provoziert in diesem Kontext die ungemütliche Assoziation mit der Parabel von Pierre Boulle. In Bezug auf die Branche ließe sie sich so erzählen: Die vermeintlich dominierende Spezies der Kreativagenturen erwacht auf einem Planeten, auf dem die Infrastruktur den Inhalt prägt und Agenturleistung einfach Commodity ist. Langsam reift in ihr die Erkenntnis, dass sie sich in Sachen Markenführung selbst zerstört hat...
„Mit einem radikalen Perspektivwechsel könnte die Geburt eines intelligenteren Agentur-Typus gelingen.“
Nils Wollny, Sinner Schrader
Ganz so weit sind wir noch nicht. Und mit einem radikalen Perspektivwechsel könnte die Geburt eines intelligenteren Agentur-Typus gelingen. Hierfür heißt es jedoch Abschied nehmen von Ideologien und Vorbildern vergangener Werbe-Epochen. Es gilt die Naturgesetze der Digitalwirtschaft zu adaptieren. Nachfolgend drei Facetten eines neuen Leitbilds, wie Agenturen die eigene Evolution gestalten und gleichzeitig für ihre Kunden wieder wertvoll werden können.
Erstens: Ideen sind nichts wert.
Heute produziert eine Flut von Kreativ-Dienstleistern eine noch viel größere Flut an Ideen. Doch so lange eine Idee nicht das Licht der Welt erblickt und auf Menschen wirkt, ist sie leider wertlos. Und dass die Realisierung von Ideen häufig die viel entscheidendere Kunst ist, gilt besonders im digitalen Kontext. Wie auch bei Technologie-Startups liegt der tatsächliche Wert von Agenturen daher nicht primär in ihren Ideen, sondern in den ihr verbundenen Talenten. Nicht umsonst investieren Venture-Capital-Unternehmen eher in Personen als in Ideen. Und der
Pitch um Mercedes-Benz hat eindrucksvoll bewiesen, dass dieser Ansatz auch in einer Kunde-Agentur-Beziehung Schule machen könnte. Agentur-Strukturen sind ein Habitat für Talente, die in Corporate Strukturen nicht ihre Kraft entfalten können und dennoch interessant für Unternehmen sind.
Zweitens: Kreation ist digitale Ingenieurskunst.
Eine beliebte Entschuldigung für das mittelmäßige Abschneiden bei internationalen Award-Shows ist die Begründung, Deutschland sei eben ein 'Ingenieursland',
kein 'Kreativland'. Diese Unterscheidung ist so wenig zielführend wie die Unterscheidung von 'Digitalagentur' und 'Kreativagentur'. Immer wieder wird betont, wie wichtig es sei als Agentur die Probleme der Kunden zu lösen. Probleme zu lösen ist aber paradoxerweise die Hauptaufgabe von Ingenieuren – auch von Software-Ingenieuren. Von integrierten Kampagnen bis zur Gestaltung von markenprägenden Interaktionen in Form von nutzenstiftenden Services, herausragenden User Interfaces und ganzheitlichen Erlebnisketten brauchen heute vor allem: Ingenieurskunst. Gerade im Land der Markentechniksollten wir diesen Aspekt wertschätzen.
Drittens: Agenturen fehlt das digitale Geschäftsmodell.
Mit Hochdruck arbeiten Agenturen an der eigenen Digitalisierung. Das Rezept: Rekrutierung von digitalen Talenten und Ausbau des digitalen Leistungsportfolios. Neue Agenturen wie
RCKT erscheinen in diesem Kontext
zunächst ungewöhnlich disruptiv, letztendlich handelt es sich um eine ausgegründete Werbeabteilung, die primär vom Nimbus ihres digitalen Mutterkonzerns und deren Gründer zehrt. Um jedoch wirklich zukunftsfähig zu sein, müssen Agenturen noch einen deutlichen Schritt weiter gehen: sie müssen proprietäre und skalierbare Marketing-Services entwickeln. Nur so können sie zu einem unverzichtbaren Element jener Infrastruktur werden, die sie heute ausschließlich bespielen. Services wie die Private Marketing Cloud von
Next Audience, die der
WPP-Beteiligung
ComScore oder das Solutions-Angebot von
McKinseysind erste Ansätze für skalierbare, digitale Agentur- und Beratungsprodukte jenseits der klassischen Content-Produktion.
Prevolution
Nie war die Zeit besser, die kreative Kraft von Agenturen in neue Territorien zu lenken. Nie war die Zeit besser, neue Agentur-Modelle zu bauen, die eine digitale DNA haben. Nie war die Zeit besser, die Grenzen zwischen Agenturen und Beratungen aufzulösen. Und nie war die Zeit besser, sich wieder drauf zu besinnen, was Agenturen groß gemacht hat: Respekt vor der Intelligenz der Menschen und Fokus auf das bestmögliche Nutzererlebnis. Selbst wenn die
Beobachtungen von Stephan Rebbe der Werbe-Branche im Kern richtig ist: Von einer (scheidenden) Agentur-Größe kann man erwarten, dass sie sich mit einer Vision verabschiedet, die Mut macht und Fantasie weckt. Dieses Feld hat er nun der nächsten Generation überlassen."
Nils Wollny
"Planet der Affen" – Drei Thesen zu den aktuellen Debatten in der deutschen Agenturlandschaft