
Santiago Campillo-Lundbeck
Jung von Matt Edeka und der neue Mut in der deutschen Werbung
Montag, 30. November 2015
Die Reaktionen auf den Edeka Weihnachtsspot waren so überwältigend wie vielfältig, doch eines steht wohl außer Zweifel: Es ist der mutigste Werbefilm, den man im deutschen Lebensmittelhandel je gesehen hat. Viele haben dieses Jahr ihre Kunden mit prächtigen Bildern und emotionalen Geschichten zum gemeinsamen Schlemmen und Feiern motivieren wollen, doch nur Edeka traute sich, die Themen Tod und Einsamkeit unter dem Weihnachtsbaum zu platzieren. Und das Schöne daran: Edeka ist damit nur das aktuellste Beispiel eines breiteren Trends in der deutschen Werbung.
Edeka Heimkommen 2015

© Edeka
Jung von Matt Weihnachtskampagne Warum im Edeka-Spot ein verzweifelter Großvater seinen Tod vortäuscht
Bei genauerem Hinsehen ist die Marketingstrategie dahinter natürlich nicht so ein Vabanquespiel, wie es zunächst den Anschein hat. Denn wer ohnehin Weihnachten in der Familie feiert, wird die Geschichte als Bestätigung für sich selbst empfinden. Singles dürften sich durch den Film motiviert fühlen, Weihnachten nicht einfach zu ignorieren. Und allein die Diskussionen über die Geschichte in den sozialen Netzwerken verspricht einen sprudelnden Quell an Earned Media. In Summe bewegen sich Edeka und Jung von Matt damit kreativ - wenn auch nicht notwendigerweise strategisch - mühelos auf Augenhöhe mit der John-Lewis-Kampagne "Man on the Moon".
Solche Auftritte sind nur möglich, wenn der Kunde mutig genug ist, oder genügend Vertrauen in seine Agentur hat, dass diese mutig sein darf. Diese Auftritte zeigen aber auch, dass es in Deutschland tatsächlich solche Kunden gibt. Und damit ist der Ball wieder im Feld der Agenturen: Sie können sich damit begnügen, sehnsüchtig die ausländischen Kollegen um ihre Geniestreiche zu beneiden, oder sie können sich von der heimischen Agenturkonkurrenz beflügeln lassen. Nötig ist dafür nur ein bisschen Mut. cam